1.1 Paul
Namenloses Etwas Fliege
Das Fressen nimmt kein Ende. Eine unersättliche
Völlerei greift um sich. Münder verschlingen, Gaumen
würgen, Schweißperlen tropfen auf die heiße Pfanne.
In der Wärme der Duftkerze tanzt eine Fliege, die
Katastrophe herausfordernd. Könnte sie grinsen,
würde sie es tun. So aber denke ich mir meinen Teil
und hoffe auf das kurze Aufflammen. Doch das gewitzte,
Aas fressende Viech entkommt, lässt sich
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gekonnt von der Thermik empor tragen. Dass nichts
geschieht, langweilt.
Es scheint, wir forschen uns gegenseitig aus. Belauern
wir uns? Das schwarze, Fingernagel große Etwas
trudelt der Flamme entgegen und fängt sich dann
mit einem jähen waagerechten Flug ab. Wieder kohlt
nichts.
Mit den Augen der Fliege gesehen, ist Sonnennähe
ungefährlich, Flammentod nicht vorgesehen, Fressen,
fleischberggroß, ich, unendlich, jedenfalls ausreichend
für ein Fliegenleben vorhanden.
Und die Erwartung ihres Gegenübers ist für sie bedeutungslos,
ohne Einfluss auf den Verlauf dieses
Seins.
Mir dauert das alles zu lange. In einem geeigneten
Moment schlage ich mit der ausgestreckten flachen
Hand auf den Tisch und als ich sie wieder hebe kommt
ein Fleck auf dem weißen Tischtuch zum Vorschein.
1.2 E.R.N.A.
Der Mensch will
Der Mensch will
Fliegen
Können
Lernen
Er wird es
Nie
Feldversuche
Fehlversuche
Es wird
Nichts
Übrig bleiben
In den Stürmen wirbeln Seelen, Gene, Bites.
Wille wünscht nicht, Wille will.
Und am Ende allen Wollens bleibt der Wunsch nach Hoffnung.
2.1 Paul
Ein Tag im August 2021 - Ein Tag wie jeder andere
Was interessieren mich die Kriege am Arsch der Welt
Wenn ich in einer Welt lebe, die scheinbar selbst im Arsch ist
Die Medien überschlagen sich
Afghanistan - 20 Jahre Einsatz für bunte Erden - damit schreibt sich keine Wahrheit
Bericht um Bericht
Unglück, Unwetter, pandemisches Ungemach
Tägliche Unmöglichkeiten wider uns
Zum Abschluss immer die Segnung des Tages
Fußball - Moderne - Brot und Spiele
Warme Worte als Schutzschild gegen eine heiße Zukunft mit heftigen Kämpfen
Die Politiker gerieren zu Fratzen
Europas Politiker winden sich
Zu windigen Gesellen
Schaumschläger - Heuchler - Seiltänzer - Schönwetterpolitiker
Angesicht des Versagens
Und da ich, ein ICH ohne Glauben an einen Gott bin
Fehlt mir die Erklärung
Alles Im Arsch sein als eine Strafe und Prüfung zu erleiden
Und doch ist alles Im Arsch sein die teure Rechnung
Die wir alle bezahlen
Was interessiert mich das Unglück am Arsch der Welt
Selbst wenn es sich hinter der nächste Sekunde vor mir auftut
Über mich herfällt
Mich hinterrücks niederdrückt
Zu Boden wirft
Im Fluss ertränkt
Vom Tornado geköpft
Eine leere Hülle hinterläßt
Es geht mir am Arsch vorbei
Oder?
2.2 E.R.N.A.
Fern der Realität
Emsig hastet Halbwahrheit
Summt in den Gängen
Eifert in den Sälen
Hetzt
Durch Wasser
Durch Wolken und Wind
An Verwüstung vorbei
Durch die Öde der Vorgärten
Durch die Einsamkeit der Wohnungen
Durch die verdorrten Plakatdwälder
Durch den Alltag der Einzelnen
In die Zukunft
In der eine Realität
Einschlägt
Die Sehnsucht ans Gestern unter sich begräbt
3.1 Paul
26. August 2021
Im Gestammel politischer Sprechblasen
In den atemlosen Medienberichten
Hetzt die Schwäche und der Verrat
Werte halten die Menschen hin
Zur Lüge gesellt sich Heimtücke
Das zerfetzte Fleisch der Toten
Kommt über die Heuchler
Brennt sich ins Fleisch der Gutgläubigen
Unschuldig allein der Fötus
Im Leib der verworfenen Mutter
Das andere ist Menschenmasse
Verhandlungsmasse Anmaßender
Heimkehrer und Heimgeholte
Die Haut gerettet
Die Seele verloren
3.2 E.R.N.A.
Auf der Suche
Nach der Heiterkeit des Gestern
Verloren
In
Rot glühender Morgenstunde
Nachricht geschwängerter Mittagszeit
Einbrechender sternenloser Schwärze
Stochern
In
Abzieh-Bildern vergangener Seligkeit
Der Jugend Omnipotenz
Erkaltete Leidenschaften
Dem Abglanz guter Tage
Tränen der Trauer
Finden
Wir
Auswurf behaupteter Göttlichkeit
Ruhe in befriedeter Erde
4.1 E.R.N.A.
Eingebettet
In den satten Werten
In den Wirbeln der Werbewelten
In den Tornados der Fake News
Eingesargt
Die Ideale
Die Realität hat uns begraben
Gaukler spielen mit dem Blau des Himmels
Flinke Finger
Hütchenspielern gleich
Schachern ums Wissen
Erkenntnis
Geistreich ins Gegenteil verkehrt
Gewendet wie ein schmutziges Hemd
In den Wind gehängt
Verfängt sich der Gaukler darin
Ertrinkt im Blau des Himmels
4.2 Paul
Wenn Kultur trennt,
dann bin ich lieber
ein Kulturbanause,
ein Barbar. Wenn in
Religion gegossener
Gottesglaube
Mauern aufrichtet,
dann bin ich lieber
ein Gottloser.
Wenn Glaube
Kultur hervorbringt,
wenn Religiosität
die Kluft zwischen
den Menschen
hinwegfegt,
dann glaube ich
leidenschaftlich,
auch wenn dieses
Gefühl für manchen
mit einem Gott
verknüpft sein muss.
Jeder hat das Recht,
sich die Welt nach
seiner Fasson zu
erklären, wenn
es dem humanen
Umgang miteinander
förderlich ist.
5. Paul
Müde vom Pessimismus
Das Leck abdichten
Am Grunde des Meeres
Die Flügel stutzen
Auf der Höhe der Wolken
Durchatmen
Im Kosmos
Die Maske aufsetzen
Damit Rotz sich verfängt
Die Peitsche wählen
Damit es schmerzt
Den Sprengstoffgürtel enger schnallen
Damit
Verdammt noch mal
Das alte Leben weitergeht