Tina Flau „Sequenzen“

Ausstellungseröffnung am 8. Mai 2011

Gezeigt wurden Grafiken und Zeichnungen

Zur Eröffnung spielte Hannes Lingens, Akkordeon, Berlin

Ausstellungsdauer bis zum 31. Juli 2011  Zur Ausstellung erschien ein Katalog

Laudatio von Paul Böckelmann

Sprechen sie doch einmal über jemanden, über dessen Arbeit, den sie nicht kennen! Was haben sie da: einige Begegnungen, sympathische Momente ersten Austausches, sowie die Grafiken und Zeichnungen, welche hier zu sehen sind.

Grafik, Kunst, unaufgeregte stille Bildwelt, die leicht zu übersehen, mühelos in die Ecke gestellt, zum nicht Lebensnotwendigen erklärt werden kann.

Du siehst, was du denkst. Ausgangspunkt auch gutmeinender Bildbetrachtung. Nicht gewollt, doch dieser, dem Einzelnen eingetragene Filter Weltaneignung wird niemand los. Das Bedürfnis, das Recht auf individuelles Sehen, lässt es sich ohne Kenntnis der thematischen Hintergründe bei der Betrachtung der Arbeiten Tina Flaus wahrnehmen? Erfahren wir ohne literarisches Wissen, welche Botschaft die Blätter transportieren? Warum arbeitet sich eine Künstlerin unserer Zeit an Völuspa-Zeichnungen ab? Sind es Illustrationen uralter, 800 jähriger Verse über einer, uns heutige Menschen fremd erscheinenden Götter und Heldenwelt, Worte, die einer Seherin in den Mund gelegt sind. Oder gelangt die Künstlerin mittels dieses Vehikels zu, den Menschen immer wieder, wenn auch in immer neuem Wortgewand, gestellten Fragen. Fragen, die stets beantwortet werden müssen, wollen wir menschlich bleiben.

Oder nehmen wir die Serien "Erdentwicklung", "Pflanzenspiegel", "Blickwechsel", "Symbolleiste". Auch hier wieder graphisches Fabulieren. Nicht Abbilder, Wissensbilder werden festgehalten. Die Natur technisierten Auges zitiert. Die Künstlerin vereint vermeintlich deutbare Gegenständlichkeit, lässt uns Erkennen glauben und doch sind wir wieder aufs eigene Sehen verwiesen. Alles in der Grafik deutet auf eine Perfektionistin. Kalkül im Strich, die Struktur im Vorhinein ersonnen. Ich weiss, dass es eine Behauptung ist, aber die Reinheit der Blätter lässt es vermuten. Irrende Arbeitsspuren sind kaum zu finden. Farbe und Graphit finden ihren samtenen Grund auf ausgewählten, oft handgeschöpften Papieren. Im Tiefdruck der Serie "Symbolleiste" tritt die Linie für Farbflächen zurück, als würde sich die Grafik zur Malerei häuten. Und im Gegensatz dazu, torkeln sich die farbigen Linien in den Motiven der Schiffe, zu heiterer Zerbrechlichkeit.

Nun hat gerade Tina Flaus Kunst scheinbar so gar nichts mit Alltag, Politik, Ausbeutung von Ressourcen, Wirtschaft, hektischer, globalisierter Welt zu tun, aber welche Fragen sich immer wieder stellen, erleben wir gerade in diesen Tagen. Japan! Beherrschte Natur, eine, alles meisternde Zivilisation, Fortschritts- und Technikgläubigkeit, all unser Glaube an die Omnipotenz menschlichen Willens ist angezweifelt. Die Erdplatten gebärden sich nach eigenen Gesetzen, die gemeisterte Technik versagt ihren Dienst, und wir sehen uns hilflos kaum noch beeinflussbarer Entwicklungen ausgesetzt. Plötzlich glauben wieder alle. Und wenn es nur daran ist, dass es schon nicht so schlimm werden wird. Und da wird auch Tina Flaus Hinwendung zu alten Gesängen in der Folge "Völuspa" verständlich. Weltgeburt und Weltuntergang. Da wo die Expressionisten die explodierenden Formen ihres "O Mensch Pathos" zur Bildgestaltung nutzten, da findet die Frau und Künstlerin stillere Disharmonien. Und trotz Abwesenheit menschlicher Figuration ist der Mensch doch der Mittelpunkt der Kunst der Tina Flau.