Astrid Germo

"Frauen Fische und Flaschen"

Hinterglasmalerei

Ausstellungseröffnung am 10.September 2006

Wer ist Astrid Germo ?

meine Damen und Herren, mag sich mancher fragen ? Eine der gebräuchlichsten Plattitüden ist der schöne Satz : „Für die Künstlerin spricht ihr Werk.“ Es spricht also..... das Werk..... mit uns..... mit ihnen grad so wie mit mir.....also ganz frei heraus muss ich ihnen gestehen..... mit mir hat noch kein einziges Bild geredet....... Nicht einmal eines von Astrid!..... Dabei kenne ich sie, die Astrid und natürlich auch ihre Bilder bereits seit Jahren, ach was Jahrzehnten.
Wir trafen uns wohl nachdem Sie von der kurz „Burg“ genannten Hallenser Kunsthochschule kommend im Potsdamer Holländerviertel Asyl fand. Das Holländerhaus, dass Sie mit ihren vom andauernden Paddeln trainierten oberen Extremitäten, wie man sagt „eigenhändig“ vom Trümmerstatus befreite......jenes rote Backsteingiebelwunder bewohnt Sie noch immer. Im Untergeschoss, in den beiden verwinkeltsten und wie ich finde, viel zu kleinen Räumen aber entstanden auch die Bilder, die sie hier sehen.

Wir sehen also und da die Bilder, Gott sei Dank, nicht sprechen .... kann ich der Maler, Kritiker und manischer Augenmensch ungestört plaudern...... über die Bilder..... wie ich sie sehe... und über die Gründe meiner anhaltenden Bewunderung auch nach Jahrzehnten intensiver Dauerbetrachtung. Ich sage Dauerbetrachtung ganz bewusst, denn der Umstand, dass ihre Bilder frei von jeder Modernität oder gar Mode ihre Vitalität bewahren, ist ein sicheres Indiz für ihre Qualität.
Dabei sind diese Bilder hier natürlich nicht zeitlos. Kein Mensch käme auf den Gedanken sie in eine andere Zeit zu denken, obwohl die Sujets aber auch die Requisiten ihrer Bildinszenierungen ohne jede vordergründige Verortung im Jetzt auskommen. Blumenstilleben, Akte, Porträts... das klingt nach Langeweile und ist genau der Stoff, aus dem das Mittelmaß sein Bedeutungslosigkeiten bastelt. Betrachten Sie bitte ein beliebiges ihrer auf den ersten Blick so gnadenlos statischen Menschenbilder. Bedenken sie dann die Aufgabe einer unter allen Umständen zu vermeidenden Banalisierung. Wie schafft es die Künstlerin den millionenfach gemalten Porträts hunderttausender lebender und toter Kollegen ein Bild hinzuzufügen, das über seinen Wert für den Dargestellten hinaus von Belang ist? Nun, sie erreicht ihr Ziel auf eine denkbar einfache Art und Weise, indem sie in der jeweils subjektivsten Sicht und der individuellsten Handwerklichkeit ihre Themen angeht. Um es noch einmal ganz deutlich zu machen wie ich die Begriffe „subjektive Sicht“ und „individuelle Handwerklichkeit“ verstehe, möchte ich kurz präzisieren.

Sicher haben die meisten Künstler eine subjektive Sicht, das scheint in der Natur der Sache zu liegen. Auffällig aber ist auch in der Bildenden Kunst die grassierende Unsitte einer Art Selbstzensur...ich würde sagen als Ergebnis von Gefallsucht. Das Bedürfnis einen möglichst großartigen Eindruck beim Publikum zu hinterlassen führt in Verbindung mit der Erinnerung an die Werke der eigenen, natürlich erfolgreichen Idole zu einer Deformation der personalen Bildfindung, oft schon beginnend mit der Themenwahl. Dieser meist unbewusste Vorgang setzt sich dann bei der handwerklichen Realisierung des Kunstwerks fort. Techniken, Formen und Farben orientieren sich oder variieren im Sog vermeintlicher Erfolgsstrategien. Dies alles aber fehlt Astrid Germo. Stur und einfallslos setzt sie auf immer die gleichen, ihr eigenen künstlerischen Potentiale. Aber wie virtuos sie auf dieser Klaviatur zu spielen vermag. Na gut, sie hat auch viel geübt. „Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit“, hat Karl Valentin gemeint und das gilt, wie sie ahnen, ganz besonders für die nur noch selten angewandte Technik der Hinterglasmalerei. Sie erfordert eine gewissermaßen strategische Vorgehensweise, denn einmal gesetzt ist die Linie, Fläche oder der Farbton von rücksichtsloser Dauer und nicht mehr übermalbar. Folglich muss im Vorfeld gründlich gezeichnet und vorgedacht werden. Noch mehr als auf der Leinwand entsteht ein Bild bereits das erste mal im Kopf. Daher rührt auch die bei Astrids Bildern auffällige Sicherheit und Festigkeit der Komposition.

Alles Plan, alles Absicht und trotzdem hält die Künstlerin auch immer einige Hintertürchen für den Zufall offen. Sklavin eines nur noch auszufertigenden Plan ist sie beileibe nicht. Hinzufügen oder weglassen kann auch sie und gelegentlich reichen ihren Figuren auch vier Finger an einer Hand. Konkurrenzlos ist ihre Meisterschaft im Ornament. Seit Matisse hat niemand mehr derartigen Einfallsreichtum entwickelt. 300 Jahre Tapetenkultur hat sie schwammartig aufgesogen und zu immer neuen Variationen verarbeitet. Unerreicht sind auch ihre Blumenbilder. Der Bausatz scheint immer der Gleiche zu sein. Fast quadratisches Format, Topf oder Vase, Horizontlinie – meist als in den Bildraum gekippte Tischkante, darüber ein Himmel aus Wand und eventuell ein Ornament- falls noch nicht als Tischtuch verbraten. Die strenge lineare Geometrie bildet dann die Bühne für den Auftritt der sich schlängelnden und windenden Pflanzen.

Unnachahmlich ist das Farbenspektrum und die Abstimmungssicherheit dieser kristallklaren Kompositionen. Geschlossene, fast monochrome Flächen sind, ohne Verwendung reiner Farben, von enormer Leuchtkraft, weil die Abmischungen stimmen. Man könnte Astrid Germo auch als Meisterin der Halbtöne bezeichnen. Wie ich das meine, sehen sie selbst an den ausgestellten Arbeiten. Blau ist beispielsweise nie einfach Blau aus der Tube sondern stets variiert, getupft oder durchs Ornament gebrochen. Ein Rot wird oft nahe ans Schwarz verdunkelt. Das Gelb tendiert im Irgendwo zwischen Zitrone und Beinahegrün. Diese unglaublich feinsinnigen Farbkreationen brennen sich auf Jahre in den Erinnerungsspeicher des Betrachters ein.

Ich jedenfalls sehe das so, selbst wenn das Bild nicht mit mir spricht. Wenn sie nun endlich, als Solist oder im lockeren Gruppenverband über das Gesehene nachdenken und dann darüber sprechen sollten empfehle ich den weisen Rat Max Liebermanns zu beherzigen: „Sie dürfen von einem Bild nicht erwarten, das es auch noch Mama oder Papa zu Ihnen sagt!“

Vielen Dank für Ihre geduldige Aufmerksamkeit.


Laudatio von Lothar Krone zur Eröffnung der Ausstellung am 10.9.2006

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